Berliner Universitätsgründung 1810

Die Humboldt Universität, die bis 1945 den Namen Friedrich-Wilhelms-Universität trug, bedurfte einer mehr als 10-jährigen Vorbereitungsphase, in der mehrere Reformen geplant und wieder verworfen wurden.

Bereits 1797 setzten unter dem Justizminister Julius von Massow Bemühungen um eine Reform des preußischen Bildungswesens ein, die jedoch an dem allgemeinen Universitätsniedergang, der preußischen Sparsamkeit und der Abneigung gegen großstädtische Hochschulgründungen scheiterten. Später wurden Rufe nach einer "allgemeinen, wissenschaftlichen Bildungsanstalt, in der Forschung und Lehre vereint" sein sollten, laut. Die Schließung der Universität in Halle durch die französische Invasion unter Napoleon gab einen konkreten Anlass zur Eröffnung einer solchen in Berlin, der preußischen Hauptstadt. Im darauf folgenden Jahr zerschlugen diese Pläne sich jedoch ebenfalls, da die Universität Halle gegen Erwarten wieder eröffnet wurde. Die allerdings einmal entstandenen Ideen entwickelten eine eigene Dynamik und ließen einige Universitätsreformer, die sie immer weiter ausarbeiteten, nicht mehr los. Allen voran stand Wilhelm von Humboldt. Jener forderte immer wieder "Bildung durch Wissenschaft". Als Leiter der neu geschaffenen Sektion für Kultus und Unterricht im preußischen Innenministerium von Februar 1809 bis Juni 1810 bekam er eine Chance seine Pläne zu verwirklichen, wofür ihm durch seine lediglich 16-monatige Amtsperiode wenig Zeit zur Verfügung stand. Bereits im Mai 1809 legte Wilhelm von Humboldt einen Universitätsgründungsplan vor, der noch im Sommer desselben Jahres die königliche Zustimmung erhielt. So konnten die Friedrich-Wilhelms-Universität bereits am 9.9.1810 ohne jede Feierlichkeit unter dem ersten Rektor Th. Schmalz eröffnet werden und die ersten Vorlesungen am 15.10.1810 stattfinden. Erst am 29.7.1817 fand die Eröffnungsfeier statt.

Die 256 Studenten des 1. Semesters 1810 wurden von 52 Dozenten – das heißt in einem Verhältnis von fünf zu eins -, unter denen die Lehrbelastung recht unterschiedlich ausfiel, in den 4 Studiengängen Medizin, Philosophie, Rechtswissenschaft und Theologie unterrichtet. Verglichen dazu waren im Wintersemester 1994/95 an der Humboldt Universität 25289 Studenten in 224 Studiengängen eingeschrieben. Doch auch für die damaligen Verhältnisse hatte die Friedrich-Wilhelms-Universität einen eher provinziellen Charakter. An der Universität in Halle waren 1805 immerhin schon 944 Studierende eingeschrieben. Auch waren anfänglich nicht genug Räumlichkeiten vorhanden, so dass teilweise Lesungen in Privatwohnungen stattfinden mussten.

Der Friedrich-Wilhelms-Universität diente zu Beginn als Gebäude nur das ehemalige Palais des Prinzen Heinrich von Preußen, das heutige Hauptgebäude. Es waren kein Chemisches Institut und kein Laboratorium vorhanden; heute "Standardausrüstung" jeder Universität. Lediglich eine naturhistorische Sammlung, heute das Museum für Naturkunde, stand zur Verfügung. Die Studenten hatten die Möglichkeit zur Nutzung der königlichen Bibliothek, da erst 1831 eine eigene Universitätsbibliothek eingerichtet wurde.

In der Friedrich-Wilhelms-Universität verwirklichte Wilhelm von Humboldt seine Pläne zur Reformierung des preußischen Bildungswesens. Die Schulen der damaligen Zeit vertrauten ihren Schülern nur "fertige Kenntnisse" an, während die Forschung der Wissenschaft vorbehalten war. Humboldt sah die Rolle der Universität darin, dass sie die Wissenschaft als ein nie ganz aufzulösendes Problem behandelt und daher immer im Forschen bleibt. Unabhängig von staatlichen Einflüssen, also in "Einsamkeit und Freiheit" (Humboldt), solle der Student, vom praktischen Leben isoliert, in enger Gemeinschaft mit gleichgesinnten und Lehrern "Bildung durch Wissenschaft" (Humboldt) erfahren. Die Philosophie stellte von nun an die neue Grundlage der Wissenschaft dar, nicht mehr die Theologie. In einer Universität sollten Forschung und Lehre vereint werden und nicht mehr nur das Lernen des Lehrens gelehrt werden.

Vergleich 1. Semester 1810 und Wintersemester 1994/95:

1. Semester (1810)

Wintersemester 1994/95

256 Studenten und 52 Dozenten

25289 Studenten

4 Studiengänge

224 Studiengänge

Verteilung der Studenten im 1. Semester:

 Medizin: 117

 Rechtswissenschaft: 53

 Philosophie: 57

 Theologie: 29

Bibliographie:

  • Hrsg. Laetitia Boehm und Rainer A. Müller, Hermes Handlexikon Universitäten und Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Eine Universitätsgeschichte in Einzeldarstellungen, 1. Auflage, Düsseldorf 1983

  • Hrsg. Wolfgang Ribbe, Geschichte Berlin – 1. Band von der Frühgeschichte bis zur Industrialisierung, München 1987

  • Hrsg. Christian Bode, Werner Becker, Rainer Klofat, Universitäten in Deutschland – Universities in Germany, München 1995